Vom Grasbüschel zum lebenden Paradies

Die Kühe der Woerle-Milchbauern sind Meister der naturnahen Landschaftspflege. Wenn sie beispielsweise an Gehölzen beißen oder sich daran scheuern, entsteht Totholz und beim Spazieren auf der Wiese entstehen Bodenvertiefungen. Genau an solchen Stellen leben Wildbienen, Laufkäfer oder auch Pflanzen. Allein durch das Grasen auf Weiden und Almen bekommen Pflanzen Wachstumsimpulse. Ohne Nachsaat entstehen so saftige, artenreiche Wiesen mit bis zu 1.000 verschiedenen Pflanzenarten. Eine hohe Pflanzenvielfalt bedeutet nährstoffreiches Futter und gesunde Kühe. Die Heumilchkühe bekommen im Sommer eine Vielzahl an saftigen Gräsern und frischen Kräutern, von denen sie einen Teil verwerten und den Rest als Kuhfladen auf den Boden plumpsen lassen.

Artenreiche Wohngemeinschaft

Was für den einen vielleicht bei spätsommerlichen Wanderungen eklig und störend ist, ist für den anderen wichtiger Lebensraum. Ein frischer Kuhfladen wiegt bis zu 2 kg und eine Kuh produziert 8 bis 10 Fladen pro Tag. Insekten lieben diese Kuhfladen. Mehr als 1.000 Insekten können sich von einem Kuhfladen ernähren – hochgerechnet versorgt eine Heumilchkuh so zwei Millionen Fliegen und Käfer pro Jahr. Sogar Schmetterlinge schlecken vorhandene, auskristallisierte Salze aus den Fladen. Die auf Kuhfladen spezialisierten Insekten oder deren Larven sind wiederum Nahrungsgrundlagen für unzählige Vogelarten. Viele Insekten und Käfer nutzen die Haufen als Brutstätte für ihre Eier oder graben in der Erde darunter, sichere und warme Kinderstuben für ihre Larven und lockern den Boden dabei auf. In den Kuhfladen stecken noch wichtige Restnährstoffe und Samen von Pflanzen, die durch die grabenden Insekten in den Boden gelangen und so die Bodenfruchtbarkeit steigern und neue Pflanzen wachsen lassen.

Nichts ist für ewig – aber alles beginnt wieder von vorne

Kaum ist der Kuhfladen am Boden abgelegt, beginnt auch schon der unausweichliche Alterungs- und Zerkrümelungssprozess. In dem trocknenden Fladen entwickeln sich viele Arten von Pilzen, Hefen und Bakterien, zu denen sich Insekten, wie Tausendfüßler oder Regenwürmer gesellen, die die Zersetzung des Fladens beschleunigen und dieser allmählich als Dünger in den Boden gelangt. Durch die natürliche Düngung des Fladens wächst rundherum meist üppig das Gras, es entstehen unterschiedlichste Grasnarbenhöhen, sogenannte „Geilstellen“, welche Heimat und Schutz für viele verschiedene Schmetterlinge, Käfer oder Wanzen bieten. In der Folgezeit wachsen an diesen Stellen wieder Gräser und Heublumen, die wiederum von Kühen gefressen, verdaut und anderenorts als frischer Kuhfladen ausgeschieden werden und neuen Insekten ein einzigartiges Biotop bieten.

 

Darum sind die Kuh und ihr Fladen wichtig für die Artenvielfalt

Die Kühe sind aus der Geschichte der Graslandschaften nicht mehr wegzudenken, sie waren die letzten Jahrtausende maßgeblich an der Bildung von fruchtbarem und Co²-speichernden Humusboden beteiligt und trugen dazu bei, dass weltweit etwa ein Drittel des globalen Kohlenstoffs in den Wiesen gespeichert ist.

Gerade in der Heuwirtschaft wird die Verantwortung für den Erhalt der Artenvielfalt auf unseren heimischen Wiesen ernst genommen, weil sie besonders wichtig für die Gesundheit von Tieren und Menschen ist. Die Kühe leisten hierbei einen wichtigen Beitrag, erzeugen bestimmte Muster von Vegetationsstrukturen und prägen den Lebensraum von vielen Pflanzen- und Insektenarten. Die Wiesen sind somit ein unverzichtbarer Teil der Lebensgrundlage von uns Menschen, bei dem die Zusammenhänge zwischen der Entwicklung der verschiedenen Lebewesen oftmals in Vergessenheit geraten sind.

Heuschrecken, Schmetterlinge & Co brauchen Kühe und der Kuhfladen wird zum Sinnbild einer ewigen Kreislaufwirtschaft und der Erhaltung wichtiger Funktionen im Ökosystem.