Geschichten aus dem Heumilchsommer
Es ist Herbstbeginn. Auch wenn einige von euch die warmen Sommertage und den Sprung in die angenehm erfrischenden Bäche oder Seen vermissen werden, um gleich danach ein Eis auf der Picknickdecke zu genießen. Wer liebt es nicht seit seinen Kindertagen, das raschelnde Laub unter seinen Füßen? Oder wenn die bereits tiefer stehende Sonne die Blätter in herrlich bunten Farben erleuchten lässt? Wenn die warmen Farben von gelb bis braun, von orange bis rot die Spaziergänge in unserer Region zu einem besonderen Erlebnis mit einem regelrechten Farbenrausch zum Genießen machen. Die vielen Bänke auf den Wanderwegen laden ein, die Seele baumeln zu lassen und den Heumilchkühen beim Grasen auf den Herbstwiesen zuzuschauen.
Bevor es jetzt Zeit wird, die wunderschönen Seiten des Herbst zu entdecken, teilen unsere Woerle-Milchbauern Christine und Johann aus Oberhofen mit Euch noch einmal ihre schönsten Bilder und Erinnerungen an den vielfältigen Heumilchsommer, damit wir uns schon gemeinsam auf den nächsten freuen können.
Schlafen im Heublumenbett
Für die fleißigen Insekten sind Ruhephasen und ein gesunder Schlaf genauso überlebenswichtig wie für uns Menschen. Die Schlafgewohnheiten der Wildbienen sind je nach Art sehr unterschiedlich, viele von ihnen schlafen jedoch eher nachts oder bei schlechtem Wetter, manche schlafen oder ruhen bis zu 10 Stunden. Doch sie können sich nicht ins Bett legen und einfach abschalten. Das Leben in freier Wildbahn erfordert von ihnen raffinierte Schlafgewohnheiten. Einige von Ihnen ruhen im Nest und bewachen ihre Pollen- und Nektarvorräte im Schlaf. Andere klammern sich mit ihren Beinen oder verbeißen sich mit ihren Mundwerkzeugen in Pflanzenteile und schlafen „hängend“. Und dann gibt noch die Blütenschläfer, die in den Blütenkelchen schlafen. Häufig findet man dort nicht nur einzelne Bienen, sondern mehrere, die eng aneinander mit ihren Artgenossen kuscheln.
Wir konnten es gar nicht glauben. Wir haben diesen Sommer das große Glück gehabt, uns wirklich über 3 Bienenmännchen der Sägehornbiene (Melitta haermorrhoidalis) zu freuen, die zusammengekuschelt in der Glockenblume geschlafen haben. „Es ist so niedlich und wir sind so stolz auf das, was wir Besonderes bei uns in der Landwirtschaft haben und jetzt habe ich sogar so ein einzigartiges Foto und kann der Verwandtschaft und Freunden diese Schönheiten endlich mal zeigen“, freute sich die Bäuerin.
Die Landschaft veränderte sich in den letzten Jahrzehnten stark. Wertvolle Strukturen wie ungedüngte Wegränder, liegengelassene Holzhaufen am Waldes- und Wiesenrand, Hecken, Raine, wucherndes Altgras oder Brennnesseln verschwanden in vielen Regionen Österreichs. Diese sind aber wichtige Nist- und Lebensräume oder Rückzugsorte für Fauna und Flora in der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft.
Konrad Steiner (Bauer & Biologe), Gerrit Woerle, Familie Rillinger vulgo Huber (Woerle Heumilchbauern)
Schmetterling oder Ameise?
Der Thymian-Ameisenbläuling (Maculinea arion) ist im Flachgau einer der größten Bläulinge und gleichzeitig eine bedrohte und EU-weit streng geschützte Art. Seine Flügeloberseiten sind einheitlich mattblau. Auffallend sind vor allem die großen schwarzen Flecken auf der Oberseite seiner Vorderflügel und seine schwarzen Flügelränder. Er legt seine Eier ausschließlich auf Thymian- oder wildem Majoranblättern ab und die geschlüpften Raupen fressen sich durch die Blütenstände, bis der wundersame Lauf der Natur startet: Die Raupen lassen sich von Knotenameisen „adoptieren“ und überwintert in deren Ameisenbau und leben räuberisch von deren Brut. Warum werden sie nicht als Feind erkannt? Die Knotenameisen „züchten“ und „melken“ normalerweise Blattläuse, die den sogenannten Honigtau als Nahrung für sie produzieren. Die Raupe sondert diese süße, für die Ameisen unwiderstehliche Flüssigkeit ab und „tarnt“ sich so als nie endende Honigtauquelle. Zudem sind sie in der Lage, den Nestgeruch der Ameisen zu imitieren. Bis zur Verpuppung frisst die Raupe bis zu 600 Ameisenlarven. Meist schlüpft die Raupe Anfang Juli und dann gilt es schnellstens den Ameisenbau zu verlassen, denn der geschlüpfte Schmetterling sondert keinen süßen Saft mehr ab und ist so nicht mehr getarnt. Hat er dies geschafft, können wir den wunderschönen Bläuling im folgenden Sommer wieder beim Fliegen und Nektarsammeln an den Rändern der Heumilchwiesen beobachten.
In Oberhofen haben wir im Juni, den immer seltener werdenden, wildwachsenden Thymian auf einer der Wiese vorm Haus entdeckt. Er wird ab jetzt künftig immer bis zum Schlupf der Raupen des Ameisenbläulings stehen bleiben, damit sich der bedrohte Schmetterling wieder ungestört vermehren und überleben kann, durch dessen Raupen „kontrollierte“ Vermehrung der Ameise gleichzeitig die Pflanzen im Garten auf natürliche Weise vor vermehrten Blattlausbefall geschützt werden. Und: Der Teenager im Haus braucht weniger Rasen mähen und hat ab jetzt mehr Freizeit ?
„Das sind für uns wirklich wundervolle gemeinsame Erlebnisse und viel wichtiges Wissen über unsere Natur. Wir sind davon überzeugt, dass wir mit unserem Projekt – Artenschutz in Bauernhand – künftig noch mehr solche Wunder der Vielfalt mit unseren Milchbauern erleben und dokumentieren können und Außenstehende motivieren, mit uns die Vielfalt der Pflanzen- und Tierarten zu erhalten und zu fördern“, wünscht sich Diana Reuter, Mitarbeiterin von Woerle.
Reichhaltiges Insektenbuffet
Ein Garten ohne Insekten? Nahezu unvorstellbar. Es gibt zahlreiche Pflanzen, die von Bienen und Insekten angeflogen werden, weil sie eine wertvolle Nahrungsquelle sind und Pollen und Nektar spenden. So ist auch der wilde Thymian ein regelrechter Insektenmagnet. Im Gegensatz zum Echten Thymian hat der wilde Thymian intensiv grüne, glatte Blätter ohne Härchen. Er lässt sich wie der echte Thymian in der Küche als Gewürz verwenden, aber in voller Blüte wird er auch zum beliebten Freund von Bienen und anderen Insekten.
Als wir das Treiben im wildwachsenden Thymian genauer beobachtet haben, konnten wir sogar den Kleinen Feuerfalter (Lycaena phlaeas) fliegen sehen, der in Europa zwar noch oft vorkommt, jedoch in der Flachgauer Region immer seltener anzutreffen ist. Seine Flügeloberseiten sind orangerot dunkelbraun gefärbt. Nahe dem Rand sind mehrere dunkle Würfelflecken auf den Vorderflügeln erkennbar. Er bewohnt verschiedenste Lebensräume, vor allem aber locker bewachsene und offenere Landschaften, wie beispielsweise Sandgruben, andere sandige Gebiete oder Wegränder. Die Raupe des tagaktiven Schmetterlings ist ein wichtiger Nützling, denn die wichtigsten Nahrungspflanzen für die Raupen des Kleinen Feuerfalters sind verschiedene Ampfer-Arten. „Wir freuen uns, dass Tier, Mensch und Natur gleichermaßen durch unsere naturnahe Heubewirtschaftung profitieren“, verrät uns Christine.